Windschutzscheiben-Tausch am Alltagsfahrzeug VW UP


"Krack" sagte es auf der Autobahn... und die Frontscheibe war nun vom 4. Steinschlag auch noch gesprungen. 
Innerhalb der gefahrenen 198.000 km gab es schon drei kleinere Treffer an der Windschutzscheibe, die jedoch nicht so schlimm waren. Jetzt, mit dem 4. Steinschlag + Glassprung, konnte ich es nicht mehr so lassen. Ärgerlich, aber bei knapp 200.000 km ist so eine Frontscheibe einfach sandgestrahlt und kaputt... und ich bin schon ein sehr vorsichtiger Fahrer und halte Sicherheitsabstand.
Ich hatte jedoch keine Lust, den VW UP in eine Werkstatt zu geben. Könnte man zwar über die Teilkasko abrechnen, aber da hätte man auch 150 Euro Selbstbeteiligung. Die Scheibe kostete als Zubehör 181 Euro. Bei Volkswagen 341 Euro... (für selbst zu machen mit der originalen Scheibe zu teuer).
Dazu benötigte ich noch einen gepolsterten Klappständer, Scheibenkleberkartuschen original VW... dazu Primer original VW. Dann noch eine elektrische Scheibenkartuschen-Pistole mit Akkubetrieb und eine oszilierende Säge der schwäbischen Firma "Fein" mit diversen Klingen im Set. Kommt mich zwar alles teuerer als wenn man es über die Versicherung laufen lässt, aber man weiß was Sache ist, weil man es halt selbst macht.

Der Einschlag und bei einfederndem Rad oder welliger Strasse wurde der Sprung immer länger...  Man konnte sozusagen dabei zuschauen...
(Bei modernen Fahrzeugen zählen die verklebten Scheiben als sogenannte tragende Teile)

...und hier ist auch schon die neue Windschutzscheibe aus dem Zubehör (Grünes Solarglas wie es gehört)

​Es erfolgte das vorsichtige Ausclipsen der A-Säulenverkleidungen rechts/links und die Demontage des Innenspiegels.

...das Demontieren der Wischerarme und der Kunststoffabdeckungen unterhalb der Windschutzscheibe (über dem Wasserfangkasten).

Die Tatwaffe. Eine oszilierende Säge der Firma Fein aus Schwäbisch Gmünd. Diese Säge erwarb ich in nagelneuem Zustand aus Bulgarien !!!! 
Sie wurde komplett im Koffer mit allen möglichen Klingen geliefert, die man für Ausglasungen benötigen könnte. Ein echtes Schnäppchen... denn diese oszilierende Säge liegt in Deutschland im Neuzustand zwischen 850 und 1000 Euro in den Geschäften.
In Bulgarien verkaufte sie jemand (wie gesagt im nagelneuen Zustand) für 350 Euro. Ein Allrounder mit dem man auch Bleche absolut gerade schneiden kann. Man kann auch einfach in Metallbleche eintauchen und dann schneiden (mit entsprechendem Sägeblatt).
 Ich besitze schon 20 Jahre eine kleinere Ausführung einer oszilierenden Säge der Firma Fein. Diese kann auch alles, aber eben nicht ausglasen. Dafür ist sie zu klein und es gibt für die kleinere Version auch keine passenden Klingen zum Ausglasen.
Diese hier ist ein Werkzeug für immer. Robust und einfach top.

Auf gehts mit der Säge. Die alte Windschutzscheibe wird noch mit zwei Saug-Griffen versehen, damit man die Scheibe nach rundherumschneiden vernünftig aus dem Rahmen herausnehmen kann. Und da ist sie schon:


Man sieht den Karosserierahmen mit der verbleibenden halben Kleberaupe rundherum. Das Armaturenbrett wurde während des Herausschneidens geschützt. Wichtig ist beim Rausschneiden, das man mit der Klinge nicht zu tief die Kleberaupe durchschneidet, da die Klinge sonst am lackierten Karosserierahmen vorbeischliddert und den Lack beschädigen kann. Kleinere blanke Stellen auf der Kleberaupenfläche bleiben nicht aus, durch den Schnitt. Diese werden später mit Primer ausgetupft und sind somit vor Rost geschützt. 

Es folgt das gründliche Reinigen und Entfetten mit Silikonentferner am kompletten Karosserierahmen. Hier sind natürlich immer Verschmutzungen zu finden, weil hier das Regenwasser in der Kante herunterläuft. Rost am Scheibenrahmen war gottseidank keiner vorhanden. 

Die alte Kleberaupe wurde nun mit einem Stechbeitel (Klinge) von Hand, rundherum flächig zurückgeschnitten. So hat die Scheibe später wieder eine gute Auflage und die alte zurückgeschnittene Kleberaupe dient als Basis um sich mit der neuen Kleberaupe zu verkleben.

Hier die abgeschnittenen Reste der alten Kleberaupe am Karosserierahmen, mit Klinge.

Die neue Windschutzscheibe wird auf den gepolsterten Klappständer gelegt und vorbereitet. Der innere schwarz bedampfte Glasrand muss gründlich gereinigt und mit Silikonentferner behandelt werden. Auf dem schwarzen Rand wird später die Kleberaupe aufgetragen. Zuvor muss dort jedoch noch geprimert werden. Dafür muss der innere Rand absolut fett- und silikonfrei sein, sonst haftet der Primer nicht und dann auch nicht die Kleberaupe.

Bei meinem VW UP müssen an die obere Scheibenkante noch 4 Gummi-Distanzstücke (dreieckig) auf das Glas aufgeklebt werden. Diese sorgen später dafür das beim Übergang von Windschutzscheibe zur Dachkante keine Windgeräusche entstehen. 

Jetzt kommt der Primer von VW zum Einsatz. Mit dem sogenannten Applikator wird nun der Primer auf den zuvor gereinigten und entfetteten inneren Glasrand der neuen Windschutzscheibe im Rechteck aufgetragen (dort wo der Scheibenkleber später aufgetragen wird).
Der Primer muss mindestens 25 bis 30 Minuten nach dem Auftragen ablüften.  

Der frische tiefschwarze Rand ist der Primer-Auftrag innen am Windschutzscheibenrand. 
Wichtig:  Der Primer ist ein Haftvermittler. Ohne Primer hat die Kleberaupe keine Haftung am Glas! 
Bei mit gummibeschichteten Windschutzscheiben, wo bereits Gummileisten innen auflaminiert sind benötigt man zusätzlich einen Aktivator. Dieser ist bei meiner Art von Windschutzscheibe nicht notwendig. Hier hängt lediglich eine Plastikleiste am unteren Scheibenrand für das spätere einclipsen des Windlaufs.

Auch der Karosserie-Scheibenrahmen - der ja lackiert ist - muss an manchen blanken Stellen (vom durchtrennen der Kleberaupe) mit Primer behandelt werden. Auch auf lackierten Flächen wo man eventuell zuviel von der Kleberaupe abgeschnitten hat, muss Primer auf den Lack, wo die Kleberaupe sich später aufdrückt. Am Karosserie-Scheibenrahmen ist meist nur ein Austupfen notwendig um kleinere Stellen zu schützen. Am VW Up war gottseidank kein Rost am Scheibenrahmen. Dann muss man nämlich ganz andere Geschütze auffahren. Das geht dann bis zum professionellen entrosten, grundieren und neuer Lackaufbau im Scheibenrahmen. Rost ist wiegesagt keiner vorhanden. 
Der Primer hat auf der frisch mit der Klinge zurückgeschnittenen Kleberaupe nichts verloren. Wiegesagt nur auf kleinen blanken Blechstellen und/oder auf lackiertem Blech austupfen.

Nach dem 20minütigen Ablüften des Primers auf der Scheibe und am Karosserie-Scheibenrahmen, kann es losgehen mit dem Auftrag des Scheibenklebers mittels einer elektrischen Klebekartusche (am besten akkubetrieben und mit einstellbarer Geschwindigkeit).
Die beiden VW Scheibenkleber-Kartuschen habe ich zuvor in einen Eimer mit warmen Wasser gelegt. Somit wird der Kleber etwas weicher und kann besser aufgetragen werden. Es handelt sich in meinem Fall um einen Ein-Komponentenkleber. Braucht etwas länger in der Durchhärtung, (am besten eine Nacht das Fahrzeug nicht bewegen) aber man will sich ja auch nicht noch zusätzlich stressen. 
Hier die Klebekartuschen im Warmwasserbad:

Es folgt nun das Öffnen und Einführen der Klebekartusche in die elektrische Kartuschenpistole. Dann die Sauggriffe schonmal an der neuen Scheibe beidseitig befestigen.
Dies alles konnte ich leider nicht noch fotografieren, denn bei Auftragen des Klebers und Einbau der Scheibe hat man nicht so arg viel Zeit. Deshalb hier ein Foto aus dem Internet vom Auftragen der Kleberaupe. In meinem Fall muss die Kleberaupe eine Breite von 7mm und eine Höhe von etwa 15mm haben. Das erreicht man mit einer dreieckigen Düsenöffnung. Hierbei ist es wichtig keinen "Zittrigen" zu haben und eine saubere, in einer Linie fortführende Kleberaupe zu ziehen. Man kann auch mal kurz absetzen, aber besser nicht. Man beginnt unten mittig an der Windschutzscheibe. Man orientiert sich an der alten Scheibe, wo die Kleberaupe genau langlief. An den Ecken muss man versuchen eine saubere Rundung oder Ecke hinzubekommen. Jede Unterbrechung oder Öffnung der Kleberaupe kann später zu Undichtigkeiten der Scheibe führen. Wenn man einmal im Rechteck um die Scheibe herum ist und wieder unten mittig ankommt, sollte man den Kleber parallel noch etwa 10cm neben die Anfangsraupe auslaufen lassen. Dann werden die Enden mit einem Spachtel oder kleinem Kartonstück zusammengestrichen, damit die Enden eine Verbindung haben.  Die Form soll dennoch dreieckig spitz nach oben stehen. 

Binnen 10 Minuten muss die Windschutzscheibe nach Kleberauftrag am Fahrzeug eingeglast werden. Ansonsten beginnt schon eine "Hautbildung" auf der Kleberaupe. 
Die Scheibe wird zu zweit in den Rahmenausschnitt vorsichtig eingesetzt und leicht angedrückt. Auf Spaltmasse zu den A-Säulen und zum Dach muss geachtet werden beim Absetzen. Ebenso soll man durch das Schauglas der Windschutzscheibe unten links, auch die Fahrgestellnummer komplett sehen können.

Im unteren Bereich rechts und links unterhalb der Windschutzscheibe (am Blech), befinden sich zwei Anschläge. Dort werden nach Einsatz der Windschutzscheibe von beiden Leuten jeweils ein original Gummikeil von VW eingeschoben. Diese beiden Keile verhindern rechts und links ein herunterrutschen der Scheibe während der Trocknungsphase. 
Die Sauggriffe können die Nacht über an der Scheibe verbleiben. Wichtig ist jetzt, das das Fahrzeug etwa 10 Stunden ruht und die Türen nur sanft geschlossen werden. 

Nach 10 Stunden ist der Scheibenkleber zu fast 100% ausgehärtet.
Jetzt können die Sauggriffe entfernt werden und die lästigen Etiketten und Aufkleber von der Lieferung inklusive Kleberesten von Papier und Klebeband am Glas entfernt werden. 
Am besten reinigt man die Scheibe innen und aussen absolut gründlich mit Silikonentferner. Alles Fett und Silikone verschwinden. Ebenso die Kleberückstände. 

Achtung, jetzt kommt das wichtigste nach dem Scheibeneinbau:
Es muss nun unbedingt in einer SB-Waschbox mit dem Dampfstrahler geprüft werden, ob die Windschutzscheibe auch dicht ist!
Man kann mit dem Dampfstrahler wunderbar die einzelnen Kanten der Windschutzscheibe mit Wasser bespritzen. Es darf kein Wasser zum Innenraum hineinlaufen. Besonders wichtig sind die oberen Ecken der Windschutzscheibe. Hier ruhig mal ordentlich Regen simulieren mit dem Dampfstrahler. So das das Wasser von oben über das Dach in die oberste Rille der Windschutzscheibenkante läuft. 
Macht man diesen Test nicht (so wie die meisten Werkstätten es nicht machen!), können eventuelle Undichtigkeiten das Fahrzeug nachhaltig beschädigen. Das Problem ist:  Sollte eine Undichtigkeit vorhanden sein, dann läuft Regenwasser unbemerkt hinter der A-Säulenverkleidung hinunter und dann in Richtung Dämm-Matte unter den Fahrzeugteppich. 
Die meisten Kunden bemerken das nicht einmal. Erst nach etwa 2 bis 3 Monaten, je nach Regenintensität, wundert man sich, warum Scheiben von innen feucht werden und übermässig beschlagen mit Tropfenbildung. Zudem wird es dann irgendwann schimmelig im Fahrzeug riechen. Dann ist aber schon die Dämmmatte unter dem Fahrzeugteppich total vollgesogen mit Wasser, was weitere Probleme mit sich bringen kann:  Elektronikfehler, Oxidierungen an Steuergeräten und Steckern, die am Fahrzeugboden verbaut sind. Auch möglich ist: Rost am Unterboden, wenn die Undichtigkeit länger nicht bemerkt wird.

Ist wirklich alles dicht, dann können jetzt die A-Säulenverkleidungen wieder eingebaut werden.


Als nächstes werden dann die A-Säulenverkleidungen wieder rechts und links sauber eingeclipst und der Innenspiegel (hier eine einfache Version) aufgeschoben. Da in meinem VW Up kein Abstandssensor zum vorausfahrenden Fahrzeug verbaut ist, muss hier auch keine Kamera im Innenspiegel am Messstand eingestellt werden. Auch ein Regensensor ist nicht verbaut.
Bei Fahrzeugen mit Frontscheibenheizdrähten und/oder Scheibenantenne müssen auch wieder der/die Stecker an der Scheibe angebracht werden. Aber auch das hat mein VW UP nicht. 

Es bietet sich nun an, bevor man die Wischerarme und den Plastikwindlauf vor der Windschutzscheibe wieder montiert, den kompletten Wasserfangkasten und die Wasserabläufe rechts und links zu säubern. In meinem Fall war nur ein wenig Dreck im Wasserfangkasten. Manche Autofahrer züchten darin aber ganze Laub- und Nadelwälder und Mäuse- und Rattennester und andere eklige Dinge....
Alles schon erlebt. Wichtig ist, das dort von Zeit zu Zeit nachgeschaut wird, ob irgendwelcher Schmodder im Wasserfangkasten rumliegt. Sind die Wasserabläufe rechts und links erstmal verstopft, dann kann bei Regen oder Waschstrasse sich das Wasser unterhalb der Windschutzscheibe ansammeln und das Motorsteuergerät (welches meist in diesem Bereich sitzt) unter Wasser setzen. Dies ist nicht zu empfehlen.
Da mein VW UP sehr gepflegt ist, achte ich natürlich übers Jahr auch auf solche Sachen und ich vermeide es gänzlich unter Bäumen zu parken. 
Hier mal ein Blick in den Wasserfangkasten unterhalb der Windschutzscheibe:

... und jetzt mal gereinigt:

So muss das aussehen. Der Wasserfangkasten übelst sauber und die Wasserablauflöcher rechts und links sind frei. Jetzt können die Kunststoffabdeckungen und die Wischerarme wieder montiert werden. 
Ich spendiere dem UP noch einen Satz originale neue VW-Wischerblätter. Die alten Gummis lasse ich nicht mehr über die neue Scheibe "reiten". 

Somit wäre der VW UP wieder fahrbereit. Da hoffe ich mal, das ich in der nächsten Zeit von Steinschlägen verschont bleiben werde....